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Preiswertere Sicherheitsbauteile

Kosten einsparen durch systematische Risikobeurteilung.

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Preiswertere Sicherheitsbauteile

Der kritische Moment für eine Sicherheitsfunktion tritt in den meisten Fällen während der Ausarbeitung einer Risikobeurteilung nach Maschinenrichtlinie ein. Hier entscheidet sich maßgeblich, welche Qualität die zu verwendenden Sicherheitsbauteile haben müssen. Das Maß für die geforderte Qualität und damit auch für die Kosten der einzusetzenden Sicherheitsbauteile ist der erforderliche Performance Level PLr. Diese Kosten steigen in der Regel von PLr = a nach PLr = e. Es gilt also, den richtigen Weg zu einer hinreichenden Risikominderung finden, dabei ein angemessenes Sicherheitsniveau zu erzielen und gleichzeitig die Kosten für den Einsatz von Sicherheitsbauteilen im Zaum zu halten.

Man würde mir nicht glauben, wenn ich behauptete, dass die Einhaltung von Formalismen mit der Möglichkeit, Kosten zu sparen, einhergehen kann. Schon gar nicht, wenn dabei Richtlinien und Normen mit ins Spiel kommen, die in der Regel im Verdacht stehen, eher kostentreibend zu wirken. Anhand eines Beispiels zur Berechnung des erforderlichen Performance Levels PLr in einer Risikobeurteilung nach Maschinenrichtlinie möchte ich zeigen, dass genau das möglich ist.

Was ist das iterative Verfahren?

Sowohl die Maschinenrichtlinie als auch die DIN EN ISO 12100 sprechen von einem iterativen Verfahren mit verschiedenen Prinzipien der Risikominderungen. Dieses Verfahren sieht zuerst das Prinzip der inhärent sicheren Konstruktion vor, dann den Einsatz von Schutzmaßnahmen wie trennende Schutzeinrichtungen und z. B. weitere berührlos wirkende Schutzmaßnahmen. Zu guter Letzt bleibt dann der Hinweis auf Restgefahren, das Einfordern von Personalqualifikation und das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung. Aber wie kann dieses Verfahren mir hier helfen, Kosten zu senken? Dazu schätzen wir das Risiko erst einmal, bevor wir zu der spannenden Lösung kommen.

Risikoeinschätzung (Risikoparameter siehe Tabelle 1 am Ende des Beitrags)

Betrachten wir einmal eine Gefahrenstelle, die das Risiko birgt, sich schwere irreversible Verletzungen S2 (Erläuterungen zu den nun folgenden Abkürzungen finden Sie am Ende dieses Blogs) zuzuziehen, z. B. eine offen rotierende Maschinenbewegung, die mittels Pleuel in eine oszillierende Bewegung umgewandelt wird. Solche Gefahrenstellen finden sich z. B. bei großen Kolbenkompressoren. Aufgrund der offenen Bauart, die aus thermischen Gründen notwendig ist, und der Zugänglichkeit kann man hier von einer häufigen und langen Gefährdungsexposition F2 für Personen ausgehen. Wird eine Person an der Maschine von einer solchen Bewegung erfasst, sind die Vermeidung der Gefährdung und eine Begrenzung des Schadens wohl nicht mehr möglich. Dies führt zu einer Einschätzung von P2. Schlimmer kann es eigentlich nicht kommen.

Risikominderung ohne iteratives Verfahren

Jetzt gilt es, das Risiko zu minimieren. Anstatt das iterative Verfahren zu durchlaufen, wende ich „nur“ eine Risikominderung an. Dieses Verfahren wird aktuell von einer Vielzahl unserer Kunden genutzt. Eine konstruktive Maßnahme ist aus thermischen Gründen nicht möglich. Da aber nur konstruktive Maßnahmen eine mögliche Reduzierung der Schwere der Verletzung ermöglichen, bleibt es hier bei S2. Unsere einzige Risikominderung beinhaltet sowohl eine trennende Schutzeinrichtung mit Zugang als auch die steuerungstechnische Lösung der Zugangsüberwachung und Zuhaltung. Das Ergebnis dieser Risikominderung hat die Reduzierung von F2 auf F1 zur Folge, da die Zugänglichkeit für Personen verringert wurde und eine seltene und kurze Gefährdungsexposition eintritt. Eine Möglichkeit zur Begrenzung des Schadens sehe ich nicht, damit bleibt es bei P2.

Zusammenfassend kommen wir auf die Einschätzung S2, F1 und P2. Die Ausgangssituation jedoch, hier S2, F2 und P2, bestimmt den erforderlichen Performance Level PLr = e. Damit haben wir den höchsten erforderlichen Performance Level bestimmt, dessen Umsetzung mit den höchsten Kosten verbunden ist.

Risikominderung mit iterativem Verfahren

Nun wird es interessant. Schauen wir noch einmal auf die Ausgangssituation S2, F2 und P2. Wir wenden jetzt den Formalismus des iterativen Verfahrens an, indem wir mehrere Risikominderungen einzeln und nach verschiedenen Prinzipien abarbeiten. Da die konstruktive Maßnahme auch hier nicht möglich ist, bleibt es bei S2. Jetzt spalten wir die oben in einem Schritt durchgeführte Risikominderung in 2 Einzelschritte auf. Zuerst betrachten wir nur die trennende Schutzeinrichtung mit Zugang. Schon durch die räumliche Trennung von Personen und Maschine tritt eine Reduzierung von F2 auf F1 ein. Das Ergebnis nach dieser Risikominderung ist S2, F1 und P2 und ist damit Ausgangssituation für den zweiten Einzelschritt: die nächste Risikominderung mit der steuerungstechnischen Maßnahme der Überwachung und Zuhaltung. Ob sich der Risikoparameter P zur Möglichkeit zur Vermeidung der Gefährdung oder Begrenzung des Schadens weiter reduzieren ließe, darüber könnte man trefflich streiten. Gehen wir aber einfach mal davon aus, dass er konstant bei P2 liegt. Bei der Ausgangssituation S2, F1 und P2 würde sich ein erforderlicher Performance Level PLr = d ergeben und damit reduzieren sich auch die Kosten für die Umsetzung dieser steuerungstechnischen Maßnahme.

Zitat der DIN EN ISO 13849-1: „Die Bestimmung des erforderlichen Performance Levels ist das Ergebnis der Risikobeurteilung, bezogen auf den Anteil der Risikominderung durch die sicherheitsbezogenen Teile der Steuerung.“ Genau dieser Anteil wurde hier in dem zweiten Einzelschritt betrachtet.

Fazit

Die Einhaltung von Formalismen aus Richtlinien und Normen, wie hier am iterativen Verfahren gezeigt, kann auch Einsparpotentiale mit sich bringen – und das Ganze bei Sicherstellung einer hinreichenden Risikominderung. Aus meiner langjährigen Praxis weiß ich, dass diese Möglichkeit nicht immer und überall genutzt wird.

Wer also formale Regelungen gut anzuwenden weiß, kann sich daraus Vorteile erwirtschaften und das gänzlich ohne Kompensation von Sicherheitsmängeln.

 

Tabelle 1: Risikoparameter

S             Schwere der Verletzung

S1           leichte (üblicherweise reversible Verletzung)

S2           ernste (üblicherweise irreversible Verletzung oder Tod)

F             Häufigkeit und/oder Dauer der Gefährdungsexposition

F1           selten bis weniger häufig und/oder die Zeit der Gefährdungsexposition ist kurz

F2           häufig bis dauernd und/oder die Zeit der Gefährdungsexposition ist lang

P             Möglichkeit zur Vermeidung der Gefährdung oder Begrenzung des Schadens

P1           möglich unter bestimmten Bedingungen

P2           kaum möglich

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