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Müssen Anleitungen noch gedruckt zur Verfügung gestellt werden?

Geschrieben von Jörg Sannemann | 29. Juni 2020 04:00:00 Z

Hand aufs Herz: Wie viel Prozent unseres Tagesgeschäfts verbringen wir Redakteure damit, nutzbringenden Inhalt zu erstellen, und wie viel mit der Begegnung von echten oder vermuteten rechtlichen Risiken?

Um Haftungsrisiken zu vermeiden, werden bisweilen auch Ausgabeformate gewählt, die der Nutzungssituation schlicht nicht angemessen sind. So werden z. B. Aktenordner mit Wartungsinformationen für eine Anlage geliefert, in denen die Servicekraft eigentlich nur einen Einstellwert sucht. Die Betriebsanleitung zu Maschinen liegt wohl behütet im Aktenschrank bei der Schichtleitung, während der Bediener die benötigten Informationen vermutlich – wenn überhaupt –  nur über Kollegen erhält. Hauptsache, Papierform und „dauerhaft verfügbar“.

Noch steht die Harmonisierung zwar aus, aber die Norm EN ISO 20607:2019 – Sicherheit von Maschinen – Betriebsanleitung – Allgemeine Gestaltungsgrundsätze, die seit Oktober 2019 auch in deutscher Übersetzung erhältlich ist, macht mir etwas Hoffnung: Bereitstellung in Papierform ist dort nicht die einzige Möglichkeit. Das Kapitel 7 „Veröffentlichungsformen“ erwähnt jenseits der Papierfassung auch elektronische Speichermedien wie z. B. Serverzugriff der Maschine oder eines anderen Endgeräts. Besonders spannend finde ich, dass die Betriebsanleitung laut Norm auch in Form von Mensch-Maschine-Schnittstellen, als Video, internetbasiert oder als Tonaufzeichnung bereitgestellt werden darf.

Die Servicefachkraft könnte sich vermutlich in kürzester Zeit zum Einstellwert „durchklicken“. Der Maschinenbediener könnte Antworten auf seine Fragen am HMI erhalten, wo vielleicht sogar erklärende Videos eingesetzt werden. Die Papierform kann ja weiterhin in Aktenordnern oder Schränken verbleiben, falls z. B. ein Stromausfall die elektronischen Medien lahmlegt.

Leider ist es etwas zu früh, um die Korken knallen zu lassen und das papierlose Zeitalter einzuläuten. Die Norm erwähnt deutlich, dass man sich der gesetzlichen Anforderungen bewusst sein muss. Wenn andere Bereitstellungsformen ihre Zuverlässigkeit bewiesen haben, werden diese Bereitstellungsformen sicherlich für alle Beteiligten akzeptabel sein. Irgendwann könnte man dann dort ankommen, wo ich als Informationsschaffender hin möchte: bedarfsgerechte Information, die dem Nutzer wirklich hilft.

Dieser Blogbeitrag wurde übrigens papierlos erstellt.