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Mehr als nur ein Dings für die Dings

Die Technische Redaktion im Kampf gegen Wortfindungsstörungen.

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Mehr als nur ein Dings für die Dings

Mit einem breiten Grinsen und den Worten „Viel Spaß!“ stellt mir unser Projektleiter heute eine große Kiste auf den Schreibtisch. In der Tat bedeutet die Lieferung eines Prototypen immer viel Spaß: Das Büro wird kurzerhand zum Prüfstand und das Gerät kann direkt beim Schreiben gedreht, gewendet und zerlegt werden.

In diesem Fall habe ich mit einem Luftentfeuchter die Ehre. Als Erstes mache ich mich an die Bestandsaufnahme und erstelle eine Bauteilliste. Dadurch bekomme ich einen Überblick über das Gerät und habe auch gleich eine Terminologieliste, auf die ich bei der weiteren Arbeit zurückgreifen kann. Los geht es: Bedienfeld, Tragegriffe, Lufteinzug, Luftauslass …

Dann kommt die erste Herausforderung: Der Luftentfeuchter wird zusammen mit einer externen Pumpe und zwei Schläuchen geliefert. Möchte man die Pumpe nutzen, muss der eine Schlauch verwendet werden. Möchte man die Pumpe nicht nutzen, der andere. Für den Fall, dass der Nutzer die Bedienungsanleitung nicht komplett liest, muss dieser Unterschied bereits durch die Bezeichnung der Schläuche klar werden. Mit „Dings für die Dings“ ist es also nicht getan.

Erster Versuch: „Kondensatablauf für den Pumpenbetrieb“ und „Kondensatablauf für den Abfluss ohne Pumpe“. Sobald man das geschrieben sieht, ist klar: Das ist viel zu umständlich und zu technisch. Die Nutzergruppe für Luftentfeuchter ist viel zu heterogen, als dass man auch nur eine vage Aussage zum technischen Vorwissen der Nutzer treffen könnte. Sofort habe ich den Loriot-Sketch über den „Saugblaser Heinzelmann“ im Kopf: „Muss ich denn jedes Mal, wenn ich sauge oder saugblase, den Schlauchstecker in die Schlauchnut schieben?“

Die Bauteile benötigen einfache und allgemeinverständliche Bezeichnungen. Zweiter Versuch: „Wasserschlauch für den Pumpenbetrieb“ und „Wasserschlauch für den Abfluss ohne Pumpe“. Die Ausdrücke sind zwar einfacher, aber insgesamt zu lang. Außerdem steht der entscheidende Unterschied erst ganz am Ende. Ab 10 Zeichen lässt die Aufmerksamkeitsspanne rapide nach, das Auge muss „wandern“. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Information nicht verarbeitet wird, steigt. Der springende Punkt gehört also in die ersten 5 Zeichen.

Dass Wasser aus einem Luftentfeuchter abfließt, ist eigentlich trivial und an dieser Stelle überflüssig. Also auf zum dritten Versuch: „dicker Schlauch“ und „dünner Schlauch“. Kurz, einfach und ein Unterschied zwischen den Schläuchen wird in den ersten Zeichen hervorgehoben. Allerdings sagt die Dicke des Schlauchs nichts über seine Funktion aus, ist also wenig hilfreich. Außerdem ist diese Bezeichnung nun wiederum so banal, dass es eher nach einer Nippel-durch-Lasche-Beschreibung klingt.

Im vierten Versuch also den Unterschied in der Funktion nach vorn, eine allgemeinverständliche Bauteilbezeichnung dahinter: „Pumpenschlauch“ und „Ablaufschlauch“. Durch diese Begriffe wird der nutzungsrelevante Unterschied der beiden Schläuche bereits angezeigt. Die Details kann der so vorinformierte Nutzer in einem folgenden Teil der Bedienungsanleitung nachlesen. Jetzt, wo die Terminologie klar ist, kümmere ich mich darum.

Stefanie Langmann
Autor:
Blog post Stefanie Langmann